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Bindungs- und Entwicklungstrauma

Ein Trauma ist sehr individuell. Und eine Defintion von Trauma alles andere als einfach. Oft wird der Begriff mit Schocktrauma (Einzelereignis) in Verbindung gebracht, doch ein Entwicklungstrauma hat andere Ursachen und Folgen für den betroffenen Menschen. Was ein Bindungs- oder Entwicklungstrauma ausmacht, erfährst Du auf dieser Seite.

Was ist ein Trauma?


Aus meiner Sicht wird der Trauma-Begriff leider oft leichtfertig verwendet, was eine Defintion schwierig macht. Je nach Quelle wird zusätzlich ein anderer Schwerpunkt gesetzt.


Grundsätzlich handelt es sich bei einem psychischen Trauma um eine Situation, die mit einer außergewöhnlichen oder sogar lebensbedrohlichen Bedrohung verbunden ist, für die dem Betroffenen zum Zeitpunkt des Geschehens keine ausreichenden Bewältigunsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.


Dies geht mit einer extrem hohen Stressbelastung einher, da der Körper instinktiv über das vegetative Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzt wird, um im Notfall kämpfen, fliehen oder erstarren zu können.


Das Problem: Weil der Betroffene massiv überfordert ist, kann die Reaktion nicht abgeschlossen werden, die bereitgestellte Verteidigungsenergie (=Stress) bleibt quasi im Körper stecken und kann später zu vielfältigen Symptomen führen.

Welche Arten von Trauma gibt es?


Es gibt sogenannte Schocktrauma, die mit einem einzelnen belastenden Ereignis einhergehen, wie z.B. einem Unfall, und Komplextrauma, zu denen Bindungs- und Entwicklungstrauma gehören. Diese entstehen durch eine anhaltende Belastung über eine langen Zeitraum. Es gibt noch andere Arten von Trauma, auf die hier aber nicht eingegangen werden soll.

Was ist ein Bindungs- bzw. Entwicklungstrauma?


Wie das Wort "Entwicklung" bereits vermuten lässt, handelt sich um eine Belastung während der ersten Lebensjahre, bei  der auch Bindung eine existenzielle Rolle spielt. Durch die Forschung ist heute klar, wie wichtig gute Rahmenbedinungen für unsere Entwicklung schon im Mutterleib und insbesondere in den ersten drei Lebensjahren sind.


Im Gegensatz zu anderen Säugetieren ist der Mensch bei der Geburt völlig hilflos und auf eine Versorgung durch eine Bezugsperson angewiesen. Dabei geht es neben der körperlichen Fürsorge in besonderem Maße auch um die emotionale Einstimmung auf die Bedürfnisse des Babys, das erst im Kontakt mit der Bezugsperson lernt sich selbst zu regulieren und soziale Interaktionsfähigkeiten zu erwerben.


Indem die Bezugsperson sich auf die Bedürfnisse einstimmt, sei es über Blickkontakt, Körperkontakt oder die Stimme, findet im Idealfall ein Lernprozess beim Kind statt, das durch Nachahmung lernt sein Nervensystem zu regulieren und sozial zu interagieren. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von Co-Regulation. Auch Spiegelneuronen, bestimmte Gehirnzellen, die dafür zuständig sind Gefühle beim Gegenüber wahrzunehmen, spielen dabei eine wichtige Rolle.


Kommt es in diese Zeit zu traumatischen Erfahrungen, wie z.B. einer Trennung von der Bezugsperson oder emotionale Vernachlässigung, kann dies tiefgreifende Folgen für die Entwicklung des Kindes haben, die sich unter Umständen erst Jahre oder Jahrzehnte später zeigen.

Was ist der Unterschied zwischen Bindungs- und Entwicklungstrauma?


Während sich ein Entwicklungstrauma auf einschneidende Belastungen in den ersten Lebensjahren bezieht, geht es beim Bindungstrauma um Störungen in der Beziehung zur Bezugsperson, die uns hindern eine sichere Bindung zu erleben und damit unsere Beziehungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigen können. Beides hängt im Grunde untrennbar zusammen, da sich eine Bindungsstörung immer auch auf die Entwicklungs auswirkt.

Was sind die Folgen und Symptome?


Zu den Folgen von Bindungs- und Entwicklungstrauma zählen


Störungen der Emotionsregulation

Dazu gehören Probleme im Umgang mit belastenden Gefühlen wie Wut, Ärger oder Trauer, mangelnde Fähigkeit zur Selbstberuhigung, überemotionale Reaktionen, Wutausbrüche, Impulsivität, d.h. ein Verhalten was für andere schwer nachvollziehbar und zusätzlich auch selbstschädigend sein kann.


Negative Selbstwahrnehmung

Damit verbunden ist die Überzeugung minderwertig, schlecht oder machtlos zu sein, ein geringes Selbstwertgefühl zu haben und mit Schuld- und Schamgefühlen zu kämpfen, für die es augenscheinlich keine Erklärung zu geben scheint. Als Reaktion ziehen Betroffene sich oft zurück und fühlen sich unverstanden.


Beziehungschwierigkeiten

Wie bereits beschrieben, entsteht ein Bindungs- oder Entwicklungstrauma aufgrund einer Störung der Bindung zur Bezugsperson in den ersten Lebensjahren. Durch diese Erfahrungen kommt es auch später im Leben zu Problemen, Betroffene haben Schwierigkeiten Vertrauen zu fassen, in Kontakt zu treten, Konflikte zu bewältigen oder gesunde Grenzen zu setzen.


Veränderte Lebenseinstellung

Das Leben ist geprägt von Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Sinnverlust und einem generellen Mangel an positiven Erfahrungen und Gefühlen wie Freude oder Sorglosigkeit. Aufgrund dessen kommt es nicht selten zur Diagnose einer Depression obwohl eigentlich eine Traumatisierung vorliegt.


Somatisierung

Bindungstraumatisierte Menschen leiden häufig unter körperlichen Symptomen, für die es keine Erklärung zu geben scheint. Die Symptome können sehr vielfältig sein, in Kombination auftreten und zu Beeinträchtigungen im Alltag führen. Besonders häufig sind chronische Schmerzzustände, Erschöpfung oder Störungen im Magen-Darm-Bereich.


Zu den einzelnen Symptomen von Bindungs- und Entwicklungstrauma zählen u.a.


  • Schlafsstörungen und Alpträume
  • Wiedererleben des Erlebten (insbesondere emotionale Flashbacks)
  • Entfremdungsgefühle- oder erlebnisse (Dissoziation)
  • Rückzug und Vermeidung von Situationen, die mit dem Erlebten verknüpft sind
  • Vegetative Übererregung und Schreckhaftigkeit
  • Gefühle von Nervosität und Bedrohung ohne äußere Ursache
  • Gleichgültigkeit oder Gereiztheit
  • Depressionen und Ängste
  • Toxische Scham
  • Einsamkeits- und Verlassenheitsgefühle
  • Sozialer Rückzug
  • Misstrauen anderen Menschen gegenüber
  • Selbstabwertung (innerer Kritiker)
  • Verdrängungs- und/oder Vermeidungsstrategien
  • Erschöpfung


Wichtiger Hinweis: Die auf dieser Seite aufgeführten Erklärungen, Defintionen und Aufzählungen basieren auf meiner persönlichen Erfahrung und dem Wissen, was ich mir als Betroffene selbst über Jahre hinweg angeeignet habe, und erheben weder Anspruch auf Vollständigkeit noch ersetzen sie ärztliches oder therapeutisches Fachwissen.


Wie sich ein Bindungstrauma auf Beziehungen auswirkt



1. Du hast Probleme mit Verlassenwerden und/oder Vertrauen

Statt dich sicher und geborgen in Beziehungen zu fühlen, fühlst du dich unsicher oder hinterfragst die Verbindung. Du fragst dich vielleicht ob deine Freunde wirklich Zeit mit dir verbringen wollen oder du von deinem Partner wirklich geliebt wirst. Einerseits hast du unglaublich große Sehnsucht nach Intimität und Vertrautheit, aber auf der anderen Seite hast du Angst davor oder gehst dem Bedürfnis aus dem Weg. Vielleicht sabotierst du deine Freundschaften und Beziehungen auch, weil du dich selbst für unwürdig oder nicht liebenswert hälst.


2. Du bist ein "People Pleaser"

Weil wir uns für eine Zumutung halten, versuchen wir permanent es allen anderen recht zu machen. Wir glauben, dass wenn wir für unsere eigenen Bedürfnisse eintreten oder selbstbewusst auftreten, wir abgelehnt werden. Diese Überzeugung führt dazu, dass wir Situationen erschaffen in denen wir uns selbst im Stich lassen oder Verhaltensweisen von anderen akzeptieren, die ungesund oder dysfunktional sind, wie z.B. sich ausnutzen lassen oder geben ohne auch mal zu nehmen.


3. Du fühlst dich unbehaglich oder unwohl dabei, dich auszudrücken

Über deine Gefühle zu sprechen, nach Hilfe zu fragen oder dich verletzlich zu zeigen überfordert dich komplett oder macht dir sogar richtig Angst. Das kommst daher, weil du immer wieder beschämt, zurückgewiesen oder mit Liebesentzug bestraft wurdest in deiner Kindheit. Irgendwann lernen wir dicht zu machen und überhaupt noch von irgendjemand eine sichere Verbindung zu erwarten. Uns zu öffnen fühlt sich gefährlich an, weil uns nie mit wohlwollender Akzeptanz begegnet wurde.


4. Du hast eine starke Tendenz alles kontrollieren zu wollen ("Typ A-Persönlichkeit")

Kontrolle ist der Versuch Sicherheit herzustellen. Unsere kontrollierende Natur kann sich auf vielfältige Art und Weise zeigen: kritisieren wie jemand eigene Aufgabe erledigt, keine Hilfe anzunehmen obwohl wir sie eigentlich brauchen, zuzumachen und jemand mit Schweigen zu bestrafen, andere für unser Verhalten verantwortlich zu machen, ständig Bilanz zu führen in Beziehungen, anderen Schuldgefühle zu machen, andere auszuspionieren oder zu beobachten.


5. Du lügst oder lässt wichtige Informationen aus

Viele von uns wurden bestraft wenn sie die Wahrheit gesagt haben. Wir haben gelernt zu lügen oder alles mitzuteilen um in Sicherheit zu bleiben. Lügen kann dadurch zu einer Gewohnheit werden, wenn wir über bedeutungslose Dinge oder "kleine Dinge" lügen und gar nicht genau wissen wieso wir das tun. Viele von uns fühlen sich einfach sicherer, wenn sie dem Partner oder Freunden nicht alles anvertrauen, was nachhaltig das Vertrauen in Beziehungen zerstören kann. Letztendlich ist Lügen ein auf Scham basiertes Verhalten, das wir als Kinder gelernt haben.


6. Du hast ein Problem mit Wut

Wut ist ein "typischer" emotionaler Zustand für Menschen mit einem Bindungstrauma. Doch hinter der Wut verbergen sich meist Traurigkeit und Trauer. Wir wissen es vielleicht nicht einmal, aber wir trauern um den Verlust unserer Kindheit, unseres Sicherheitsgefühls und unserer Fähigkeit, uns als das zu fühlen, was wir sind. Diese Wut kann sich am stärksten in unseren engen Beziehungen oder in der Beziehung zu uns selbst äußern. Unsere Mutter macht zum Beispiel eine kleine Bemerkung, und ein immenses Wutgeühl steigt körperlich in uns auf. Oder wir machen einen kleinen Fehler und empfinden starke Wut auf uns selbst. Diese Wut kann hochkochen und zu Ausbrüchen und Reaktionen führen, die wir später bereuen und für die wir uns schämen.


7. Du nimmst die meisten Dinge persönlich

Wir glauben oft, dass alles, was um uns herum geschieht, etwas über uns aussagt, anstatt zu verstehen, dass das Verhalten der Menschen (meistens) ein Spiegelbild ihrer Selbsteinschätzung ist. Selbst kleine Vorfälle können uns in eine Spirale aus Scham versetzen, in der wir unseren Wert in Frage stellen.


8. Du gibst zu viel

Viele von uns haben ihr ganzes Leben lang für sich selbst gesorgt, ohne dass ihre Bedürfnisse erfüllt wurden. Dadurch entstehen Situationen, in denen wir Menschen etwas geben, auch wenn sie sich dafür gar nicht revanchieren oder uns in irgendeiner Weise ausnutzen. Du weißt, dass du in Beziehungen zu viel gibst, wenn du oft verärgert bist.



Hinweis: Die Aufzählung basiert auf dem englischsprachigen copyright-freien CPTSD-Workbook von Dr. Nicole Lepera.

Was bedeutet das im Alltag?


Eine Bindungs- und Entwicklungstrauma beeinflußt alle Bereiche des Lebens, wie zum Beipiel...


Arztbesuche

Wer geht schon gerne zum Arzt? Aber für Menschen mit Bindungstrauma sind Arztbesuche gleich in mehrfacher Hinsicht herausfordernd: Untersuchungen werden zu Triggern, grobe Behandlungen führen oft zu neuen traumatischen Erfahrungen, das Herunterspielen von Ängsten und Befürchtungen schürt alte Schuld- und Schamgefühle und häufig werden Hinweise auf die eigene psychische Vorgeschichte bagatellisiert oder unzureichend berücksichtigt.


Auch eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit in Folge chronischer Schmerzen, die bei Menschen mit Bindungs- und Entwicklungstrauma häufig vorkommt, kann einen Arztbesuch oder medizinischen Eingriff zur Tortur werden lassen.


Urlaubsreisen

Die für viele schönste Zeit des Jahres. Oder doch nicht? Für Menschen, die mit dem Thema Kontakt ein Problem haben, wie es bei Bindungs- und Entwicklungstrauma der Fall ist, können überfüllte Züge, Fähren oder Flugzeuge neben Unwohlsein und Fluchtgedanken auch Panik und andere weniger schöne Zustände auslösen.


Allein der Lärmpegel kann zu einer Beeinträchtigung des überreizten Nervensystems führen, von extremen Gerüchen, engen Sitzplätzen und redseligen Mitreisenden mal ganz abgesehen.


Doch auch Autofahren ist nur bedingt eine gute Alternative, denn auch weite Strecken, lange Staus und schlechte Wetterverhälntisse können für Menschen mit Bindungs- und Entwicklungstrauma zu extremem Stress und daraus resultierenden Symptomen führen.


Verabredungen

Oft fällt es Betroffenen schon schwer zu entscheiden ob sie sich überhaupt verabreden wollen. Zum einen, weil sie mit ihren Kräften haushalten müssen und Verabredungen Zeit und Energie kosten, zum anderen, weil sie sich zwar Nähe und Kontakt wünschen, sich aber gleichzeitig alleine zu Hause wohler und "sicherer" fühle.


Klingt nicht nur paradox, sondern ist es ein ganzen Stück weit auch. Wenn man erst im Erwachsenenalter lernt wie sich guter zwischenmenschlicher Kontakt anfühlt, dann kann das durchaus die Sicht auf dieses Thema verändern. Qualität ist dann wichtiger als Quantität, Wohlfühlen wichtiger als Weinseligkeit.


Berufsleben

Durch die negative Selbstwahrnehmung und den oft langen Kampf mit Minderwertigkeitsgefühlen, Depressionen oder Ängsten, haben es Menschen mit Bindungs- und Entwicklungstrauma schwer sich beruflich voll zu entfalten.


Auch hier spielen die Themen Kontakt und Beziehung wieder eine Rolle, denn wer als Kind gelernt hat eigene Bedürfnisse zurückzustellen (um sich um die der anderen zu kümmern), sich anzupassen (da weniger gefährlich) oder Konflikten besser aus dem Weg zu gehen (um keinen Zorn auf sich zu ziehen), der kann sich auch im Kontext von Meetings, Beförderung & Co. in der Regel weniger gut behaupten oder durchsetzen.


Oft stecken Menschen mit Bindungs- und Entwicklungstrauma in einer Art "Funktionsmodus" fest, haben wenig Zugang zu ihrer Lebendigkeit und schaffen es auch deshalb lange nicht beruflich eigene Wege einzuschlagen, die wirklich ihren Wünschen und Fähigkeiten gerecht werden.


Schlafstörungen

Ich beneide Menschen, die immer, überall und jederzeit schlafen können. Wenn ich bei einer guten Fee drei Wünsche frei hätte, wäre guter Schlaf vermutlich einer davon. Schon seit meiner Kindheit leide ich unter Ein- und Durchschlafproblemen, Alpträumen und anderen unschönen schlafbezogenen Phänomenen, die sich im Erwachsenalter und insbesondere in den letzten Jahren leider verstärkt haben.


Besonders schlimm ist für mich die Angst einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen, die immer dann aufritt, wenn ich extremem Stress ausgesetzt bin. Aber auch mit meinen Alpträumen könnten inzwischen ganze Bücher füllen. Es ist daher kein Wunder, dass ich oft froh bin, wenn die Nacht endlich vorbei ist.


Wetterfühligkeit

Einem Artikel der AOK zufolge vermuten Wissenschaftler, dass dieses Phänomen durch Wetteränderungen, wie beispielsweise Temperaturveränderungen oder Luftdruckschwankungen, auf unser Nervensystem verursacht werden könnte. Das erklärt auch, warum Menschen mit Bindungs- und Entwicklungstrauma verstärkt von Wetterfühligkeit betroffen sind: Bedingt durch den hohen Stresslevel ist ihr Nervensystem bereits geschwächt und reagiert empfindlicher auf Reize.


Insbesondere Migräne, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen sind bei Wetterwechseln dann an der Tagesordnung. Als Folge kommt es zu einer eingeschränkten Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, was einmal mehr die weitreichenden körperlichen Folgen von traumatischen Erfahrungen in der Kindheit deutlich macht.


Schmerzen

Körperlicher Schmerz und seelischer Schmerz haben im Gehirn ähnliche Folgen, wie Forscher herausgefunden haben. Es konnte gezeigt werden, dass auch emotionale Erfahrungen mit körperlichem Schmerzempfinden einhergehen. Das heißt, auch erlebte Ablehnung oder Einsamkeit verursacht "echte" Schmerzen.


Durch den traumatischen Stress und die damit verbundenen Veränderungen im Hormonsystem, kann es laut einer Untersuchung außerdem zu einer veränderten Schmerzwahrnehmung bei Menschen  mit Bindungs- und Entwicklungstrauma kommen, sprich einer Über- oder Unterempfindlichkeit, die wiederum zu Erwartungsangst führen kann sowie dem Gefühl, dem Schmerz ausgeliefertsein zu sein.


Inzwischen vermuten Wissenschafter auch eine Verbindung zwischen Trauma und chronischen Schmerzerkrankungen wie Fibromyalgie, Rheuma oder Endometriose, das Leben mit einem Trauma ist unter Umständen also gleich in mehrfacher Hinsicht schmerzhaft.


Medikamente

Statt von Nebenwirkungen spricht man heute von "unerwünschten Arzneimittelwirkungen". Reine Wortkosmetik, denn für Menschen, die sensibel oder sogar allergisch auf bestimmte Wirkstoffe reagieren, ist die Einnahme von Medikamenten immer mit einer gewissen Überwindung verbunden. Oft sogar mit Angst, denn für sie überwiegt der Nutzen nicht automatisch die Risiken.


Auch Menschen mit Bindungs- und Entwicklungstrauma gehören zu dieser Personengruppe. Denn ihr hoher Stresspegel sorgt dafür, dass ihr System unterschwellig ständig in Alarmbereitschaft verharrt, was auf Dauer zu stärkeren Reaktionen des Immunsystems führen kann. Als Kind hatte ich zum Beispiel kaum ein Problem mit Mückenstichen, während mein Körper heute zum Teil mit heftiger Rötung, Schwellung und sogar Entzündung reagiert. Gleiches gilt für Medikamente, egal ob Psychopharmaka, Schmerzmittel oder Nahrungsergänzungsmittel.


Oft stößt man als Betroffener dabei auf Unverständnis, wird nicht ernst genommen. Erst recht nicht, wenn zusätzlich Ängste vor Nebenwirkungen ins Spiel kommen. Oder man sich so intensiv mit den Zusammenhängen auseinandergesetzt hat, dass man zum Teil besser als die zuständigen Experten versteht wieso und warum der eigene Körper auf bestimmte Substanzen reagiert. Man fühlt sich mit dem Thema alleingelassen, was alte Gefühle von Hilflosigkeit und Überforderung triggern kann.

Trauma ist die am meisten vermiedene, ignorierte, verleugnete, missverstandene und unbehandelte Ursache menschlichen Leidens.

-Peter Levine

Was mir geholfen hat


Falls Du der Meinung bist, dass du auch von Bindungs- oder Entwicklungstrauma betroffen sein könntest, möchte ich dir Mut machen Dir Unterstützung zu suchen (wenn Du es noch nicht getan hast). Mir hat in erster Linie meine Sturheit, meine Lernbereitschaft und mein Mut geholfen nicht unterwegs aufzugeben.


Meiner Erfahrung nach werden seelische Erkrankungen oft nicht in der Tiefe beleuchtet wie körperliche Krankheiten. Gerade bei Trauma fehlt selbst Ärzten und Psychologen oft das nötige Fachwissen. Umso wichtiger ist es selbst gut informiert zu sein.


Was mir auf meinem Weg geholfen hat:

  • Wissen über Trauma aneignen
  • Eigene Familiengeschichte verstehen
  • Selbsthilfeübungen ausprobieren
  • Online-Kurse absolvieren
  • Eigene Ressourcen kennen und nutzen
  • Zeit in der Natur verbringen
  • Traumatherapie (Somatic Expierencing®, NARM)


Auch wenn es nicht einfach ist, Hilfe zu finden, gibt es Anlaufstellen, Therapeuten und Experten, die Unterstüzung bieten. Aufgeben sollte keine Option sein.


Tipps & Empfehlungen


In diesem Bereich findest Du neben Empfehlungen auch Tipps und andere hilfreiche Informationen.


Bücher

Van der Kolk, Bessel (2017): Verkörperter Schrecken. Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann, Lichtenau/Westfalen: G.P. Probst Verlag


Walker, Pete (2019): Posttraumatische Belastungsstörung. Vom Überleben zu neuem Leben. Ein praktischer Ratgeber zur Überwindung von Kindheitstrauma, Kandern: Unimedica im Narayana Verlag


Christine Seidel (2021): Wenn die Seele nicht heilen will. Wie alte Verletzungen zu (Re-)Traumatisierung führen können und wie man sie überwindet, München: mvg Verlag, Webseite der Autorin


Rost, Chrtistine, Overkamp, Bettina (2018): Selbsthilfe bei posttraumatischen Symptomen. Übungen für Körper, Geist und Seele, Paderborn: Jungfermann Verlag


Kain, Kathy L., Terrell, Stephen J. (2020): Bindung, Regulation und Resilienz. Körperorientierte Therapie des Entwicklungstraumas, Paderborn: Junfermann Verlag, Webseite der Autoren (Englisch)


Heller, Laurence, Lapierre, Aline (2012): Entwicklungstrauma heilen, München: Kösel


Heller, Laurence, Doerne, Angelika (2020): Befreiung von Scham und Schuld. Alte Überlebensstrategien auflösen und Lebenskraft gewinnen, München: Kösel


Poole Heller, Diane (2020): Tief verbunden. Wie wir alte Bindungsmuster auflösen und dauerhafte Partnerschaften eingehen, München: Kösel, Webseite der Autorin mit Quiz zu Bindungsstilen (Englisch)


Mohajeri, Tala (2020): Körperflüstern. Der heilsame Dialog mit deinem Körper. Mit praktischen Übungen, München: Irisiana


Voss, Bernhard (2021): Körperspuren. Ursachen körperlicher und psychischer Symptome verstehen und heilen, München: Kösel


Croos-Müller, Dr. med. Claudia (2017): Alles gut. Das kleine Überlebensbuch. Soforthilfe bei Belastung, Trauma & Co., München: Kösel


Maté, Gabor (2020): Wenn der Körper nein sagt: Wie chronischer Stress krank macht - und was Sie dagegen tun können, Kandern: Unimedica ein Imprint der Narayana Verlag


Maté, Gabor (2023): Vom Mythos des Normalen: Wie unsere Gesellschaft uns krank macht und traumatisiert – Neue Wege zur Heilung, München: Kösel


Gottliebe, Lori (2019): Maybe You Should Talk to Someone: A Therapist, HER Therapist, and Our Lives Revealed, New York: HarperCollins, deutsche Übersetzung bei Amazon


Mancini, Alejandra, Buchner, Cornelia (2022): Trauma verstehen. Hilfe für Angehörige und Freunde, Stuttgart: Nymphenburger


Baer, Udo, Frick-Baer, Gabriele (2014): Wie Traumata in die nächste Generation wirken. Untersuchungen, Erfahrungen, therapeutische Hilfen, Neunkirchen-Vluyn: Semnos


Tartt, Donna (2014): Der Distelfink, München: Goldmann Verlag, Roman über einen Jungen, der bei einem tragischen Unfall seine Mutter verliert und dadurch traumatisiert wird


LePera, Dr. Nicole (2023): How to be the love you seek. Break cycles, find peace + heal your relationships, New York: HaperCollins, deutsche Übersetzung folgt Ende März 2024


Ferguson, Anna (2023): The Vagus Nerve Reset. Train your body to heal stress, trauma and anxiety, London: Vermillon


McDaniel, Kelly (2021): Mother Hunger. How Adult Daughters Can Understand and Heal from Lost Nurturance, Protection and Guidance, Hay House UK, im April 2024 auch auf Deutsch erschienen


König, Verena (2024): Verbinde dich mit dir selbst: Finde Sicherheit im Hier und Jetzt - 56 Impulse zur Selbstregulation, München: Arkana


Friese, Karolina, Botz, Daniela (2024): Wie der Körper die Seele heilt: Mit Körperübungen intensive Gefühle regulieren, Paderborn: Jungfermann


Herman, Judith (2018): Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden, Paderborn: Jungerfmann, wichtiges und elementares Buch zur Traumaforschung


Härle, Dagmar (2018): Trauma und Coaching. Trauma-Signale erkennen und professionell handeln, Paderborn: Jungfermann, sehr verständlich geschriebenes und hilfreiches Buch für alle, die mit Menschen im Rahmen von Beratung und Coaching arbeiten


Diane Petrella (2023): Healing Emotional Eating for Trauma Survivors: Trauma-Informed Practices to Nurture a Peaceful Relationship with Your Emotions, Body, and Food, Oakland: New Harbinger Publications



Links

Informationen zu Somatic Experiencing® inklusive der Suche nach Anwender:innen

https://www.somatic-experiencing.de/


Liste mit Therapeuten in Deutschland, die mit der NARM-Methode arbeiten

https://drlaurenceheller.com/narm-practitioners/practitioners-germany/


Informationen rund um das Thema Traumaheilung von Dami Charf

https://traumaheilung.de/


Informationen rund um das Thema Traumaheilung von Verena König

https://verenakoenig.de/


Videos (YouTube) und Informationen zum Thema Childhood PTSD von Anna Runkel (auf Englisch)

https://crappychildhoodfairy.com/


Videos (YouTube) und Informationen zum Thema Nervensystem(heilung) von Irene Lyon (auf Englisch)

https://irenelyon.com/


Informationen mit Schwerpunkt funktionelle Medizin und Biologie von Trauma von Dr. Aimie Apigian (auf Englisch)

https://www.traumahealingaccelerated.com/


Informationen zur Prozess- und Embodiementfokussierten Psychologie (PEP) von Michael Bohne, die bei PTBS hilfreich sein kann:

https://www.dr-michael-bohne.de/was-ist-pep.html


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